Susannah Clapp: Mit Chatwin - Porträt eines Schriftstellers
Bruce Chatwins Lektorin berichtet über Ihre Begegnungen mit Bruce Chatwin und die gemeinsame Arbeit an den Büchern. Eine gute Besprechung aus der Neuen Zürcher Zeitung: Nomade am Ende des Wegs «Mit Chatwin»: ein biographischer Essay Als ich Bruce Chatwin im September 1987 in seiner Londoner Wohnung begegnete, hatte er noch 16 Monate zu leben. Er hatte Aids und trat auf, wie ihn Susannah Clapp in ihrem biographischen Essay «Mit Chatwin» schildert: als mitreissender Causeur, offenherzig, schwungvoll, jugendhaft. Auf dem Tisch lag das fertige Manuskript des Romans «Utz» (1988). Mit ausgeprägtem Sinn für Spannung und Dramatik schilderte er, wie er in den Besitz des kostbaren peruanischen Federmantels gelangte, der an der Wand hing. Clapp war Chatwins erste Lektorin beim Verlag Jonathan Cape, heute ist sie eine seiner Nachlassverwalterinnen. Ihr Buch ist mehr als eine Erinnerung, aber weniger als eine Biographie (an dieser schreibt gegenwärtig Nicholas Shakespeare). Es heisst, Clapp habe aus dem ausufernd-chaotischen Manuskript von Chatwins Erstling «In Patagonien» jenes funkelnde, verdichtete Kleinod destilliert, welches seinen Ruhm begründete. Entsprechend aufschlussreich sind ihre Bemerkungen zu Chatwins Thematik und Stil und der Entstehungsgeschichte seiner sieben Bücher. Werkbezogene und biographische Kapitel alternieren. Chatwin entstammte einer mittelständischen Anwaltsfamilie in Birmingham. Seine schulischen Leistungen hielten sich in Grenzen. Mit zwanzig wurde er Laufbursche bei Sotheby's, wo er eine steile Karriere antrat, als man sein «Auge» für Kunst feststellte. Der Sammlerwelt überdrüssig, begann er 1966 ein Archäologiestudium und wurde dann Journalist beim «Sunday Times Magazine», wo er sich mit «profiles» einen Namen machte. 1974 reiste Chatwin nach Patagonien; es begann die schriftstellerische Laufbahn, die ihn noch zu Lebzeiten berühmt machte. Mit der gebotenen Skepsis erörtert Clapp Chatwins Ideen über das Nomadische – biographisch und spekulativ-theoretisierend für den Schriftsteller zeitlebens ein zentrales Thema. Die Autorin zeichnet eine Persönlichkeit, die so komplex war, dass die Zeugnisse vielfältig bis widersprüchlich ausfallen: offenherzig und verschlossen, geheimnisumwittert und schwatzhaft, grossherzig, zur Freundschaft fähig, ruhelos, asketisch, Peter Pan und Poseur, zu Übertreibung und Selbstdramatisierung neigend. Immer wieder erwähnt wird der magnetisierende Charme. – «Mit Chatwin» ist das Zeugnis einer Freundschaft, entbehrt deswegen aber nicht des kritischen Blicks auf das Werk, und Chatwins Mystifikationen im Leben und im Werk verhandelt die Autorin liebevoll-gelassen. Georg Sütterlin |